Der Zwischenruf
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Schlagseite: Shoot or die! (von Dennis Pauler)

Der Amiganer war ja schon immer ein Kämpfer-Typ, das liegt sehr tief 
verwurzelt - schließlich war der Amiga in der Blüte seiner Jugend bekannt 
für seine Spiele. Na ja, hauptsächlich Action-Spiele - Rollenspiele und 
Adventures waren damals schon eher den schwarz-weiß piepsenden PCs 
zugeschrieben (allein schon wegen der dort üblichen Festplatten). Und wie 
hieß es schon bei Turrican? "Remember: Shoot or Die!"
Geschult durch Spiele-Klassiker wie "Hunde des Krieges", "Wöngs" oder 
"Stille Bedienung" nahmen die Amiganer auch schon sehr bald den Kampf gegen 
den Erzfeind in Gestalt der Atari-Benutzer auf - man erinnere sich nur an 
das denkwürdige Anti-Atari-Demo der Black Monks. Obwohl: War irgendwie 
schon ein ganz schöner Ohrwurm. "Auf dem Tisch steht ein Atari. ST? Oweowe. 
Rülps, kotz, etc." (Mir ist übrigens kein zweiter Fall bekannt, in dem sich 
ein Konflikt zwischen zwei Unternehmen - wir erinnern uns: Commodore hatte 
Atari in letzter Minute die Amiga-Technologie vor der Nase weggekauft - 
derart konsequent auf die Kunden übertragen hat. Würden die Kunden von 
Mobilcom und France Telecom einen auch nur annähernd ähnlichen Einsatz an 
den Tag legen, dann wären wir wohl schon längst wieder dabei, in Verdun 
einzumarschieren...)
Na ja, die Amiga-Armee wuchs durch Umsteiger vom guten alten C64 jedenfalls 
immer mehr an, bis unsere "Freundin" schließlich klar vor dem Atari lag und 
weitere Diskussionen nicht mehr nötig waren. Doch gleich darauf erschien am 
Horizont die drohende Armada der 16-Bit-Konsolen, die mit spielerisch 
erstklassigen Jump'n'Runs in die zweite Domäne des Amiga eindrangen (so 
schrieb einst der Amiga Joker in Ausgabe 9/91: "Konnte der Amiga gegen 
MegaDrive und PC-Engine in unserer Erstausgabe noch einen Sieg nach Punkten 
verbuchen, so reicht es diesmal [im Vergleich mit dem SNES] nur für ein 
Unentschieden.") Auch hier war also wieder viel Gelegenheit zum 
Argumentieren und Missionieren, durch die bessere Erweiterbarkeit und die 
neuen Amiga-Modelle 1200 und 4000 konnte die Amiga-Gemeinde aber 
schließlich auch hier einen Sieg verbuchen.
Ein neuer Gegner musste her, und da boten sich natürlich die schwarz-weißen 
Piepskisten an, die mittlerweile gar nicht mehr so schwarz-weiß und lang 
nicht mehr so piepsig waren. Mit brutaler Rechenkraft glichen sie die 
Vorzüge der Amiga-Custom-Chips aus und begangen den Amiga unaufhaltsam zu 
übertrumpfen. Mit AAA und RISC-Prozessoren war Commodore zwar schon dabei, 
zum Gegenschlag auszuholen - durch den Konkurs konnten diese beiden 
Wunderwaffen das Schlachtfeld aber nicht mehr erreichen.
Es begann still um unseren Lieblingsrechner zu werden. Eine kleine Gruppe 
hörte zwar nicht auf, dem Eindringling Widerstand zu leisten ("Win95 = 
Amiga85!" "Schlankheit!" "Bei so schnellen Spielen bekommt man eh nur 
Kopfschmerzen!"), aber irgendwann hörten die PCler einfach auf, mit den 
Amiganern zu diskutieren und ignorierten sie. (Fragt doch mal heute einen 
13jährigen, was "Amiga" ist? Der denkt wahrscheinlich eher an eine 
Frauenzeitschrift...)
Für die durch unzählige Diskussionen gestählten Amiganer war das natürlich 
ungewohnt. Kein Widerspruch mehr? Das konnte, das durfte nicht sein. Doch 
schließlich fanden sie wieder ein Thema, über das - und eine Gruppe mit der 
- man trefflich streiten und diskutieren konnte: Die Zukunft des Amiga und 
die Amiganer selbst.
Und so wurde das ganze (schon leicht angestaubte) Waffenarsenal wieder 
ausgepackt: PowerPC gut und schön, aber welcher Kernel ist der bessere? RTG 
ist ein Muss, aber welches Grafiksystem soll man nehmen? PCI-Karten im 
Amiga? Eine Super-Idee! Aber welches ist das beste Board? Und für welches 
der (natürlich zueinander inkompatiblen) Erweiterungskarten gibt es die 
besseren Treiber?
Mit dem Versiegen des Software- und Hardware-Nachschubs wurde aber auch 
diesen Diskussionen bald der Boden entzogen, und so kam es schließlich zu 
der noch heute tobenden Schlacht der Ideen und Planungen: AmigaOne mit 
AmigaOS 4.0 gegen Pegasos mit MorphOS 1.0...
Endlich gibt es wieder zwei unterschiedliche Plattformen (wenn auch noch 
nicht im Laden erhältlich), die gegeneinander antreten können - auch die 
"Community" teilt sich bereits in zwei Lager. Wie in alten Zeiten wird hier 
und da diskutiert, attackiert, missioniert und diffamiert (wo bleiben die 
ersten Anti-[hier beliebiges neues OS einsetzen]-Demos?) Endlich kann die 
Kämpferseele in den alten Amiganern sich wieder austoben und beweisen, dass 
man einfach besser als "die anderen" ist.
Zur Beruhigung der Situation wird es wohl erst kommen, wenn die beiden 
Plattformen erhältlich sind. Die neue Hardware wird es nämlich ermöglichen, 
dass zeitgemäße Action-Spiele (z.B. 3D-Shooter) wieder gänzlich auf Amiga-
(kompatiblen)-Rechnern heimisch werden und die eigentlich doch ganz 
liebenswerte Gruppe der Amiganer sich wieder auf das konzentrieren kann, 
mit dem sie groß geworden ist: Spielen...

Dennis Pauler <dennis.pauler@virtualdimension.de>